28-jährige Patientin mit Störungen der emotionalen Selbst- sowie der
Beziehungsregulation
Sie schreibt:
"Herr Dr. Mück war der
erste Psychotherapeut, mit dem ich auch zwischen den Sitzungen Kontakt
hatte. Bei meinen beiden ersten Versuchen einer Therapie beschränkte sich
der Kontakt immer auf die Sitzungen und damit auch meist mein Engagement,
vor allem dann, wenn es mir so ganz gut ging, was ja auch recht häufig der
Fall ist. Die Beschäftigung mit meinen Problemen schob ich auf die eher
lästigen Sitzungen. Bei längeren Unterbrechungen, die aus beruflichen oder
studientechnischen Gründen in den Therapien vorkamen, gab es oft über
lange Zeiträume gar keine Kommunikation.
Schon
vor dem ersten Treffen gab es einen ersten Austausch per email. Neben
formalen Dingen ging es um das Herunterladen eines umfangreichen
Lebensfragebogens von der Internetseite. Diesen habe ich dann zwar per
Hand ausgefüllt und auf traditionelle Weise verschickt, aber er passt
trotzdem ins allgemeine Bild. Ich weiß noch, dass es teilweise sehr
anstrengend war, diesen Fragebogen auszufüllen und ziemlich lange gedauert
hat. Aber es war auch gut zu wissen, nicht mit quasi ‚leeren Händen’ zur
ersten Sitzung zu kommen, dass da schon eine Basis war. Und wie viel Zeit
und damit ja auch Geld hätte es gekostet, all diese Dinge in den ersten
Sitzungen zu besprechen. (Das fällt mir jetzt gerade mal so auf)
Nach
jeder Sitzung sollte ich einen
Feedbackbogen ausfüllen. Das ist mir lange Zeit sehr schwer gefallen.
Ich habe vor den Satzanfängen gesessen und wusste überhaupt nicht, was ich
schreiben sollte. Aber irgendwas habe ich dann doch immer zustande
gebracht, wenn das dann auch nicht mehr wirklich ‚spontan’ zu nennen war –
wie am Beginn des Fragebogens gefordert. Im Laufe der Zeit ist es mir dann
jedoch immer leichter gefallen, tatsächlich relativ spontan etwas zu
schreiben, was eigentlich auch schon als großer Fortschritt zu sehen ist,
da ich mich ja allgemein eher ungern auf irgendetwas festlege. Nur die
Notengebung für die Sitzungen habe ich – nach anfänglichen Versuchen –
später durchgehend verweigert. Damit habe ich mich zwar auch vor einer
Festlegung gedrückt, aber ich hatte meine Gründe und dazu stehe ich. („Schulnoten sind schon in der Schule fragwürdig. Hier finde ich sie
ein noch ungeeigneteres Mittel, da eine Sitzung erst in der längeren
Rückschau wirklich beurteilt werden kann“).
Fast immer kamen von Dr.
Mück dann irgendwelche Nachfragen bezüglich einzelner Punkte, auf die ich
dann wiederum per Mail geantwortet habe. So kam manchmal zwischen den
Sitzungen ein richtiger Emailaustausch zustande. Toll daran war, dass
dieser Austausch sehr fokussiert war, da man sich ja immer auf bestimmte
Fragen konzentriert hat. Die schriftliche Form bringt diese Fokussierung
mit sich, das schnelle Medium Email gewährleistet gleichzeitig den
Austausch und Dialog. Ich hatte gleichzeitig aber auch immer etwas
Hemmungen, auf die Emailnachfragen von Dr. Mück zu antworten, da dieser
Dialog ja außerhalb der bezahlten Sitzungen stattfand. Aber da er immer
wieder Rückfragen stellte, wollte er ja wohl auch Antworten haben…
Die
Form des schriftlichen Dialogs kommt mir persönlich sehr entgegen. Zwar
muss ich mich immer wieder überwinden, mich hinzusetzten und zu schreiben,
aber wenn ich erst mal dabei bin, geht es.
Ich
glaube, ich bin oft beim Schreiben ehrlicher als beim Reden. Ich schreibe
Dinge, die ich mich von Angesicht zu Angesicht nicht zu sagen trauen
würde, da ich zum Zeitpunkt des Schreibens ja mit mir alleine bin. Darüber
hinaus habe ich bei der Therapie immer das Problem gehabt, dass ich
emotional sehr gehemmt war. Ich wollte immer um jeden Preis
Gefühlsausbrüche, sprich Tränen, vermeiden. Auch wenn das in dem Kontext
absurd erscheint, will ich wohl irgendwie das Bild der starken Frau
vermitteln, die eine Therapie gar nicht ‚nötig’ hat. Oder so. Jedenfalls
hatte ich dieses Problem beim Schreiben viel weniger. Da rannen mir
manchmal beim Schreiben die Tränen nur so über das Gesicht – war ja egal,
da ich alleine war. Ähnlich wie beim Feedback ging mir auch das
Mailschreiben mit der Zeit immer einfacher von der Hand. Sehr wirksam war
auch der Vorschlag von Dr. Mück, meine automatischen Gedanken schriftlich
festzuhalten. Sehr bald gab es da gar nichts mehr festzuhalten, da die
Gedanken weitgehend ausblieben. Ob das jetzt nur am Aufschreiben lag, weiß
ich nicht, aber dazu beigetragen hat es bestimmt. Das mit dem Aufschreiben
hatte ich früher schon mal versucht, aber es macht schon einen
Unterschied, wenn man weiß, dass das auch jemand liest.
Wie
aus den ersten Zeilen ersichtlich wird, habe ich besonders auch den
kontinuierlichen Kontakt, der durch die Emails möglich wurde, als wichtig
empfunden. Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, habe ich das Gefühl, dass
ich am ehesten in diesen Zwischenphasen Fortschritte gemacht habe. Dinge,
die in Sitzungen unausgesprochen geblieben waren oder erst im Nachhinein
hochkamen (ich habe so meine Probleme, negative Gefühle mündlich
auszusprechen), konnten so auf den Tisch kommen, die sonst in den manchmal
langen Unterbrechungen verpufft wären. In einer Phase wie jetzt, wo die
Zukunft der Therapie ungewiss ist, ist es gut zu wissen, dass auf diese
Weise Kontakt gehalten werden kann, der Faden nicht völlig abreißt, was ja
sonst leicht passieren kann, wenn erst mal genug Zeit verstrichen ist. Ein
Vorteil am Emailkontakt ist aber auch, dass eine gewisse Distanz und
Freiraum gewahrt bleibt. Die jeweilige Gegenseite muss sich nicht zu dem
Zeitpunkt mit der Mail befassen, zu dem sie abgeschickt wurde. Ich kann
das jetzt schlecht in Worte fassen. Vielleicht so: Man ‚rückt sich nicht
so auf die Pelle’, bleibt aber gleichzeitig immer am Ball. Oder vielleicht
formuliere ich das jetzt noch mal ohne ‚man’ – ich habe so nicht das
Gefühl, dass ich Dr. Mück auf die Pelle rücke (ich weiß noch, dass ein
Vortherapeut mir einmal angeboten hat, ich könne ihn anrufen – das hätte
ich niemals gemacht) und fühle mir nicht auf die Pelle gerückt und
gleichzeitig bleibe ich aber – im Gegensatz zu vorher – immer am Ball.
Manchmal schreibe ich sehr schnell zurück, manchmal brauche ich eine
Weile, aber ich setze mich dann doch immer wieder hin." |